Design Selber machen Sozial

Collaborative Consumption – Die Wiederbelebung der Gemeinschaft

Ganz klar umrissen ist der Begriff Collaborative Consumption aktuell noch nicht. Fest steht: es geht um eine andere Art des Konsumierens, um gemeinschaftliche Nutzung und um das zugänglich Machen von Ressourcen und Gegenständen für viele. Beispiele sind Car-Sharing, Nachbarschaftsgärten und Wohnungstausch auf Zeit.

Die A+++ Waschmaschine statt der ollen Kiste, das E-Auto statt einer Benzinschleuder, Bio- statt Discounterobst; allesamt Kaufentscheidungen, die zum Umweltschutz beitragen sollen. Wird verantwortungsvoller Konsum jedoch weitergedacht ist schnell klar, dass der schlichte Austausch von „schlechten“ – weil sozial-ökologisch nicht korrekt – mit „besseren“ Produkten allein die Antwort nicht sein kann. Die drängenden Probleme unserer Zeit -Ressourcenknappheit, Umweltverschmutzung und Ausbeutung von Menschen – verlangen weitreichendere Lösungen. Schon 2010 veröffentlichten Rachel Botsman und Roo Rogers das Buch „What’s Mine is Yours: How Collaborative Consumption is Changing the Way We Live“, das die Entwicklung der Gesellschaft vom Hyper-Konsum hin zum kollaborativen Konsum beschreibt. Jetzt zieht die Idee des gemeinschaftlichen Konsums weitere Kreise. Collaborative Consumption (CC) scheint mehr als eine Mode zu sein: es ist eine wachsende Bewegung mit Millionen Menschen aus allen Ecken und Enden der Welt.

Wege aus der Konsumgesellschaft – Konsum 2.0

Möglich macht dies neben praktischen Vorteilen die Ermüdung des Alles-besitzen-könnens und der Überfluss an Dingen zusammen mit einem steigenden Bewusstsein für Resourcenknappheit und Umweltprobleme –  und das Internet. Zu keiner Zeit war Kommunikation und Austausch derart raum-und zeitbefreit. Erst dieses Vernetzungs- und Verwaltungstool hebt das Teilen und Tauschen auf die Ebene riesiger Bevölkerungsgruppen. Und noch ein anderer Nerv unserer Zeit wird getroffen: Der zunehmenden Vereinzelung, wie sie viele Sozialforscher – allen voran Beck – der Konsumgesellschaft diagnostiziert haben, werden mit CC neue Formen der Gemeinschaft entgegengesetzt. Dabei sehe ich vor allem zwei nicht immer trennscharfe Ebenen dieser Bewegung:  digitalen und lokalen kollaborativen Konsum.

Neue, durch das Internet ermöglichte Zugänge öffnen sich zu Bildern, Filmen, Texten und Musik mit Creative Common-Lizenzen, die prinzipiell alle nutzen, teilen und weitergeben können. Wohnungen , Bücher und Haushaltsgegenstände, Autos oder Obstbäume werden auf verschiedenen Plattformen prinzipiell für jeden auffindbar und nutzbar. Die andere Form bewegt sich auf lokaler Ebene: in den Kiezen der Städte bilden sich neue Gemeinschaften durch Aktionen wie Bücherwälder , Nachbarschaftsgärten, solidarische Landwirtschaft oder die Givebox für den Kleidertausch.

Gemein ist allen diesen Beispielen, dass der Zugang wichtig ist, nicht der Besitz. Und es ist eine konkrete Interaktion nötig, um Güter oder Dienstleistungen nutzen zu können. Während digitale Güter so lange virtuell bleiben, bis sie tatsächlich auch genutzt werden, manifestieren sich lokale „Austauschplattformen“ und „Nutzungsmodelle“ fest im Stadtbild und werden zu wichtigen Anknüpfungspunkten der nachbarschaftlichen Vernetzung.

Das Rad neu erfinden? Nicht nötig!

Ganz neu ist natürlich auch diese Idee nicht. Vielmehr handelt es sich um ein Revival von Nutzungsformen aus Zeiten und Gesellschaften, in denen nicht fast alles zu günstigen Preisen für jeden zu erwerben war – und mancherorts auch noch immer ist. Vor der industriellen Revolution, aus Kriegsjahren und DDR-Zeiten, die den Menschen keine andere Wahl ließen, als sich Waschmaschinen, Telefone oder Fahrzeuge zu teilen. Industrialisierung und Globalisierung haben es möglich gemacht, Waren massenweise billig herzustellen. Normal ist geworden, alles selbst zu besitzen, was gebraucht wird. Natürlich gab es auch zu allen Zeiten WGs und andere Gemeinschaftsformen, die oft auch gemeinsam haushalten – doch ist diese Form räumlich sehr begrenzt. Die aktuelle Bewegung ist vor allem neu in ihrer großen Reichweite.

Wohin geht die Reise?

So vielfältig wie die Möglichkeiten sind auch die Motive, von denen die kollektiven Konsumierer_innen angetrieben werden. Bei vielen ist CC der Entwurf eines alternativen Wirtschaftsmodells, eine Gegenreaktion auf den besitzergreifenden Kapitalismus. So z.B. die solidarische Landwirtschaft ; hier entsteht ein fester Zusammenschluss von einem landwirtschaftlichen Betrieb oder einer Gärtnerei mit einer Gruppe privater Haushalte, die gemeinsam wirtschaften. Für die Betriebe entsteht so Planungssicherheit und Marktunabhängigkeit, die Verbraucher erhalten faire, biologische und regionale Lebensmittel  – und Mitbestimmung. Andere Motive sind Nachbarschaftsbelebung durch gemeinsame Aktionen, aber auch ganz praktischen Erwägungen, wie z.B. finazielle Vorteile durch den Tauschhandel: warum nicht das Buch, Fahrrad, Bett gebraucht kaufen oder tauschen und private Unterkünfte nutzen anstatt teurer und unpersönlicher Hotelzimmer?

Das Potential von CC als Handlungsoption für eine bessere Welt ist groß: mit dem kollektiven (Aus-)Tausch wird Müll vermieden, Energie gespart und  Ressourcen geschont, es werden neue Gemeinschaften gebildet und gesellschaftlichtliche Strukturen wieder enger miteinander verwoben. Bewusst oder nebenbei passiert noch etwas:  Besitz und Konsum generell werden in Frage gestellt.

(Autorin: Indra Jungblut)

8 Kommentare

  1. … und dan gibt es da noch die klassische Kommune: Menschen, die gemeinsam leben und arbeiten und eben ihre Güter gemeinsam nutzen. Natürlich geht das Zusammenleben darüber hinaus, denn auch Kenntnisse und Fähigkeiten werden geteilt und so weitergegeben. Ist eine recht verbindliche Art der Gemeinschaft und sicher nicht für jedeN passend, aber eine weitere Möglichkeit zu einem nachhaltigeren und politischeren Leben.

    Statt (passiv) zu konsumieren kommt mensch so u.a. viel mehr dazu, selbst aktiv und kreativ zu werden. Wer sich selbst ein Bild machen will, sei herzlich zu einem Besuch in der KoWa in Waltershausen eingeladen.

  2. Und das „Selbst-Reparieren(-Lassen)“ wäre dann auch wieder ein toller Ausgangspunkt für Collaborative Consumption. Wieviel Geräte stehen wohl herum, die man nicht wegschmeißen mag, für deren Wieder-Einsatz man aber technische (Nachbarschafts-)Hilfe nötig hat?

  3. Hi Antje, vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar.Das mit dem Produktlebenszyklus ist in der Tat ein Problem, dass m.E. einen eigenen Artikel verdient hat. Nicht immer sind es Sollbruchstellen (aber immer öfter), oft ist einfach nur die immer filigranere Technik schuld. So oder so ein sehr guter Punkt der wiederum das Thema „selbst-repaieren“ oder wenigstens „lassen“ wieder auf den Plan bringt.

  4. Die Idee bzw. Entwicklung des gemeinschaftlichen Konsums wäre gerade auch in städtischen Wohngebieten in vielerlei Hinsicht ein echter Fortschritt. Jetzt müssten wir aber noch die Gerätehersteller (insbesondere für mechanische Geräte) dazu bewegen, ihren Geräten keine eingebaute Sollbruchstelle (geplante Obsoleszenz) zu verpassen. Damit es möglich ist, Geräte gemeinschaftlich zu nutzen, ohne diese bereits nach kurzer Zeit überzustrapazieren.
    Beispiel: Meine Getreidemühle (das Herzstück unserer Küche) ist häufig in Gebrauch und ich würde gern auch unseren Nachbarn die Benutzung anbieten – gerade auch, um Berührungsängste abzubauen und so ein Ding erstmal erfahrbar zu machen. Aber weiß ich dann, wie lange das Gerät einer – an „normalen“ Haushalten gemessenen – überdurchschnittlichen Belastung standhalten würde?
    Küchengeräte, die ich täglich benutze – von denen die Hersteller aber wohl ausgehen, das man sie höchstens einmal pro Woche nutzt, sind spätestens nach 2 Jahren im Eimer (egal, wie hochwertig und teuer das Produkt ist).
    Aber in der Hinsicht ist ja schon ein bisschen Bewegung in die Sache gekommen (zumindest was die öffentliche Wahrnehmung des Problems betrifft).
    Besten Dank für den Beitrag – nehme ihn gleich in meine kommentierte Linkliste auf ;-)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Alles, was Sie wissen müssen

Jetzt kostenlos abonnieren und 5% Rabatt sichern!

Das Lilli Green Magazin berichtet regelmäßig über nachhaltiges Design aus aller Welt. Im monatlichen Magazin-Abo erhalten Sie die besten Artikel und Interviews rund um Nachhaltigkeit und Design, sowie exklusive Neuigkeiten, Angebote und Verlosungen aus dem Lilli Green Shop. Als Mitglied der Lilli Green Community erhalten Sie außerdem 5% Rabatt auf das reguläre Shopsortiment!