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Pures Gold: Ausstellung zeigt Upcycling-Design aus aller Welt

Während die Vermüllung der Weltmeere mit ihren schwerwiegenden Folgen für das Ökosystem längst ins Bewusstsein gerückt und uns beharrlich Bilder von gigantischen Müllkippen in unterversorgten Regionen des Planeten erreichen, ändert sich der alltägliche Umgang mit dem, was wir gemeinhin als Abfall bezeichnen, nur langsam. Am 14. September 2017 eröffnet das Ausstellungsprojekt Pure Gold. Upcycled! Upgraded! im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.

Die von Volker Albus, Designer und Professor an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, konzipierte Ausstellung findet vom 15. September 2017 bis 21. Januar 2018 statt und ist Auftakt einer zehnjährigen Tournee an 20 Standorten weltweit. Die Ausstellung widmet sich dem Thema Müll und präsentiert Ansätze zur Wiederverwendung von bereits verarbeitetem Material als Rohstoff für die Erschaffung neuer und hochwertigerer Objekte. Die Designentwürfe diskutieren den Umgang mit Abfall- und Billigmaterialien und zeigen auf, dass Upcycling weder eine minderwertige Produktionsweise darstellt noch als ökologisches Nischenprojekt oder als spezifisch „postmoderne“ Strategie zu verstehen, sondern ein weltweit aufgegriffenes Designkonzept der Gegenwart ist.

Die vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) organisierte Ausstellung Pure Gold. Upcycled! Upgraded! bietet erstmals einen Überblick über experimentelle Fertigungs- und Gestaltungsmethoden und leistet damit einen Beitrag, diese aktuelle globale Designströmung einem breiten Publikum zu vermitteln. Kuratorinnen und Kuratoren aus insgesamt sieben Regionen haben die Beiträge ausgewählt. Sie stellen in der Ausstellung 53 Designerinnen und Designer mit 76 Arbeiten vor. Im Anschluss wird das Projekt in Südostasien gezeigt, mit den Tourneestationen Bangkok, Yangon, Hanoi und Manila.

Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Pure Gold. Upcycled! Upgraded! stellt eine junge, global aktive Generation ökologisch und ethisch nachhaltig agierender Designerinnen und Designer vor und versammelt multiperspektivisch Lösungsansätze für dieses gravierende Problem der Gegenwart. Die Ausstellungsthematik Upcycling möchte den Blick für alternative Produktionstechniken schärfen und dabei auf zeitgenössische europäische wie außereuropäische Designentwicklungen lenken. Die Entwürfe verwenden scheinbar minderwertige Ausgangsmaterialien, kombinieren auf unkonventionelle Weise verschiedenartige Objekte oder verarbeiten ungewollte Nebenprodukte schöpferisch weiter. Viele der Arbeiten sind mit einfachen Werkzeugen gefertigt, was bedeutet, dass sie sich auch in kleinen Manufakturen oder unabhängig an der eigenen Werkbank herstellen lassen.

Europäische Designer hinterfragen ästhetische Maximen der Moderne

Das Interesse an den Methoden des Upcyclings und der DIY-Bewegung gründet im Westen auf postmodernen Konzepten wie Charles Jencks „Adhocism“, die Alternativen zur omnipräsenten Moderne mit ihren Maximen der seriellen, industriell-standardisierten Produktion aufzeigen wollten. Auch im Design werden diese Ideen aufgegriffen: Bekannt sind die aus Kunststofftaschen fabrizierten Einrichtungsgegenstände Digestion No 1 (1998) der Französin Matali Crasset oder die gleichfalls in der Ausstellung gezeigte „Maggi“-Gruppe (1995) von Bär + Knell, die Verpackungstüten geschreddert und eingeschmolzen haben, um sie über verschiedene Möbel zu gießen: entstanden sind funktionale Negativformen von Tischen und Stühlen, die ihre vormalige Existenz als Abfallstoffe keineswegs verbergen.

Mit einem neuen Bewusstsein für alternative Techniken und Fertigungsmethoden geht zugleich die Infragestellung eines überkommenen ästhetischen Wertekanons einher. Axel Kufus betont einen schon im Begriff des Abfalls immanenten Wert, den es neu zu interpretieren gilt: „Abfall, so ist es ja auch im Wort zu lesen, ist immer ein Verlust – an Ressource, aus der die Substanz entnommen wurde, an Energie, die für die Stofflichkeit gebraucht wurde, und auch an Kultur – in der wir Verantwortung entwickeln können, unsere Zyklen verträglich für die Welt zu machen.“

Der Italiener Massimiliano Adami greift diesen Grundgedanken in seiner Arbeit Fossili Moderni (2006) auf, in der mittels Polyurethanschaum alte Eimer, Wannen, Gerätegehäuse und Kinderspielzeug in ein farbenfrohes, funktionales Regalsystem transformiert wurden. Ähnlich die Hamburger Designerin Silvia Knüppel, die in ihrer Serie Frankfurter Mélange (2015) aus Fragmenten gebrauchter Designklassiker wie dem Rabenauer Stuhl, dem Thonet Stuhl und dem Frankfurter Stuhl neue hybride Sitzmöbel konstruiert.

Upcycling als globales Phänomen

Dass Upcycling jedoch weder ein neues noch ein spezifisch europäisches Phänomen ist, rückt das international kuratierte Ausstellungsprojekt eindrücklich ins Bewusstsein. Die brasilianische Kuratorin Adélia Borges merkt an: „Die Wiederverwendung von Billigmaterialien oder Abfall zur Herstellung neuer Gegenstände wie auch die Verlängerung ihrer Lebenszyklen sind seit langem Teil der materiellen Kultur Lateinamerikas.

Während diese Praxis anderswo auf der Welt, etwa in Europa, in einem Umweltbewusstsein gründet, beruht sie in Lateinamerika auf einer überlebensnotwendigen Erfindungsgabe.“ An diese Kultur knüpft der Designer Domingos Tótora an: für seine Objekte wie Fruit Bowl with Friezes (2007) oder Solo Bench (2010) nutzt er Zellstoff- oder Pappkartonbrei, der – in einfachen Gussformen in der Sonne getrocknet – zu Kleinserien eleganter Gebrauchsgegenstände modelliert wird.

Auch in der indischen Kultur blickt Upcycling auf eine lange Tradition zurück und besitzt in der Sprache Hindi einen eigenen Begriff. „jugaad“ meint, so die indische Kuratorin Divia Patel, „die Kunst, mit dem Verfügbaren so umzugehen und zu improvisieren, dass daraus etwas Zweckmäßiges entsteht. Sie beruht auf einer ‚Nichts-Wegwerfen’-Mentalität, die den Ärmsten der Gesellschaft zwangsläufig eigen und in vielen Entwicklungsländern zu finden ist.

Seit einigen Jahren gilt „jugaad“ in einschlägigen Debatten auch als Konzept, das Existenzgründern einen Anreiz zur Fertigung von Produkten bietet, die möglichst wenig Ressourcen verbrauchen und so für große Teile der Bevölkerung erschwinglich sind.“ Dass sich dieses Phänomen mit einem politischen Anspruch verbinden kann, zeigt das in Delhi ansässige Designduo Sahil & Sarthak. Für ihre Arbeit Katran High Back Chair (2010) nutzen sie Stoffreste, die bei Exportfirmen und Kleiderfabriken anfallen. Diese werden gesammelt und auf Märkten für Kleinstbeträge weiterverkauft.

Wie entscheidend die Förderung handwerklichen Know-hows und traditioneller Techniken ist, führt die simbabwische Kuratorin Tapiwa Matsinde auch für den afrikanischen Kontinent an: „Während die Wegwerfkultur in ganz Afrika immer mehr um sich greift – begünstigt durch diverse Faktoren, von der rasant zunehmenden Landflucht bis hin zu Billigimporten aus Ländern wie China –, müssen manche Regionen des Kontinents zudem noch mit den Folgen von teilweise illegal importiertem Müll und giftigem Elektroschrott aus den reichen Staaten der Welt fertig werden.“ Aus gesellschaftlicher, ökonomischer wie ökologischer Perspektive wird dort die Dringlichkeit eines neuen Bewusstseins für den Rohstoffverbrauch auf dramatische Weise offensichtlich.

»Nachdem ein Ding hergestellt wurde, bezeichnen wir es als Produkt. Wenn es im Regal eines Geschäfts steht, heißt es Ware.«

Zugleich formieren sich zunehmend kommunale Re- und Upcycling-Projekte, die mit Designern und Kunsthandwerkern kooperieren. Hamed Ouattara aus Burkina Faso, der in der Ausstellung mit seinen Dogon Stools (2016) vertreten ist, zählt zu den Stars einer neuen Generation von Designern, die nicht auf europäische Designentwicklungen blicken, sondern ihre Inspiration und Arbeitsweise aus Beobachtungen ihrer unmittelbaren Lebensumwelt schöpfen.

Er fertigt seine Möbel u. a. aus alten Ölfässern, die er umformt und mit dem Hammer bearbeitet. Asien zwischen Tradition und Moderne Zhang Jie fasst den kaum hinterfragten Lebenszyklus eines Objekts prägnant zusammen: „Nachdem ein Ding hergestellt wurde, bezeichnen wir es als Produkt. Wenn es im Regal eines Geschäfts steht, heißt es Ware, und wenn es benutzt wird, Konsumgut. Doch sobald es in den Mülleimer fliegt, ist es Abfall.“

Nach Jie wird auch in der zeitgenössischen chinesischen Gesellschaft dieser Sachverhalt anschaulich: Diese Denkweise befeuert den Konsum, wodurch vor allem Großunternehmen und Konzerne Gewinn erzielen. Designer wie Cheng Biliang mit seinem Steel Bar Combination Stool (2016) oder Wang Shumao, der seinen Starfish Chair (2016) aus alten Stuhlfußkreuzen hergestellt hat, stellen sich dieser Entwicklung mit Upcycling-Entwürfen entgegen.

In vielen Regionen Südostasiens gilt Upcycling noch als unhygienisch. Aber, so der Thailänder Eggarat Wongcharit, „mit dem Siegeszug suburbaner und urbaner Lebensweisen ist Abfall zunehmend zu einem Thema geworden. Um sich den neuen Lebensbedingungen anzupassen, verändert man auch die Handwerkstechniken, was inzwischen hinsichtlich vieler Arten von Industrieabfällen geschehen ist.“ Auch im ländlichen Raum haben sich ganze Handwerksdörfer auf Upcycling spezialisiert. So sind Matten aus recycelten Plastikstrohhalmen in Südostasien als Fußbodenbelag inzwischen sehr beliebt. Holz wird vermehrt wiederverwendet, was unkontrollierte Rodungen der Regenwälder und den Holzschmuggel eindämmt.

Workshops und digitale Plattform als partizipatives Netzwerk

„Können die Upcycling-Modelle zu neuen Wertschätzungen und Wertschöpfungen beitragen? Kann durch Design Neues aus Altem derart kultiviert werden, dass Nutzungen von Stoffen weitreichender, verzweigter, langlebiger gelingen? Kann das Design lernen von nicht ursprünglich intendierten, improvisierten Nutzungen und ihren Werten, denen es im Dienst der Märkte sonst nie auf die Spur gekommen wäre?“ Von diesen Fragestellungen gehen die unter Federführung von Axel Kufus organisierten Workshops aus, die im Rahmen der Tourneeausstellung Pure Gold. Upcycled! Upgraded! an allen Stationen mit organisatorischer Unterstützung der Ausstellungsveranstalter durchgeführt werden. Das Projekt vernetzt sich mit der jeweiligen lokalen Maker-Szene des Ausstellungsortes und bietet für Designstudierende praxisorientierte Workshops an.

Internationale Upcycling-Konferenz

Am 30. November und 1. Dezember 2017 findet im MKG die vom ifa konzipierte zweitägige Konferenz Trash it? Burn It? Use It! Rubbish Dump or Workshop? On Creative Approaches to Trash statt. Thema der Veranstaltung ist die Mehrwertigkeit und Ästhetisierung von Abfall sowie der bewusstere Umgang mit Ressourcen im Alltag. Die Teilnahme an der Konferenz ist kostenfrei.

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