Fairphone ist ein soziales Unternehmen, das eine Bewegung für fairere Elektronik vorantreibt. Seit kurzem ist mit dem Fairphone 2 das erste modulare Smartphone auf den Markt gekommen. Im Rahmen der Elektronikausstellung IFA Berlin 2016 sprach Lilli Green mit Tina Trinks, bei Fairphone für Unternehmensbeziehungen zuständig, und Miquel Ballester, Mitgründer von Fairphone.
Was macht das Fairphone zum Fairphone?
Mit Fairphone stellen wir ein Smartphone her, das ökologischer und sozialer hergestellt wird. Dazu konzentrieren wir uns auf vier Bereiche. Einmal die Rohstoffgewinnung, da haben wir im Moment den Fokus auf Konfliktmetalle. Wie kann man Metalle aus Konfliktregionen beziehen, ohne bewaffnete Milizen zu unterstützen? Der zweite Bereich ist die Produktion. Wie können wir bei der Produktion die Sozialstandards verbessern, Repräsentationsmechanismen etablieren und die Sicherheit erhöhen? Und das am besten in der ganzen Lieferkette, auch mit Komponentenlieferanten. Der dritte Bereich ist der Lebenszyklus. Wie können wir ein kreislaufwirtschaftliches Modell für das Smartphone schaffen? Und nicht schon schnell ein End-of-Life-Moment haben? Dazu gehört ein besseres Recycling und die Wiedereinbindung der Ressourcen in die Lieferkette. Der vierte Bereich, den wir mit dem Fairphone 2 noch mehr in den Vordergrund stellen, ist das Design. Wie kann man das Smartphone von Anfang an besser gestalten, damit es offener, besser zu reparieren, und dadurch langlebiger ist. Wenn man in Deutschland das Handy statt im Durchschnitt anderthalb Jahre, alle drei, vier oder auch fünf Jahre verwendet, kann man Ressourcen schonen, Elektronikschrott vermeiden.
Was ist fair am Fairphone?
Diese Frage stellen wir auch gerne anderen Herstellern: Was genau kann an einem Elektronikprodukt Fair sein? Fairphone ist natürlich noch nicht 100% Fair. Es gibt kein faires Telefon im Moment. Aber wir unternehmen die ersten Schritte, um zu einer besseren, nachhaltigen Lieferkette zu kommen.
Wo produziert ihr und was macht ihr konkret um die Produktion fairer zu machen?
Unser Endmontage-Partner ist in China, aber die Komponenten kommen natürlich aus globalen Lieferketten, die kommen von überall her. Wir bemühen uns um eine möglichst enge Zusammenarbeit mit unserem Endmontagepartner, die haben im Grunde genommen das Telefon mitentwickelt und auch als Firma in das Produkt investiert. Dadurch entwickeln sie auch ein besseres Verständnis dafür wie sie ihre eigenen Produktionsprozesse sozialer gestalten können. Da geht es um Repräsentation von Mitarbeitern, Sicherheit, bessere Löhne und Arbeitszeiten. Dazu wird ein Social Assessment gemacht. Dazu machen wir erst eine Bestandsaufnahme: Was ist denn das Problem? Was läuft gut, was nicht so gut? Was kann man in dem guten Bereich noch unterstützen und in dem nicht so guten als erstes angehen? Was kann man langfristig angehen? Was sind richtige No-Go’s, Dinge die wir gar nicht akzeptieren können? So arbeitet man zusammen an Plänen und das machen wir jetzt auch mehr und mehr mit Komponentenlieferanten. Zum Beispiel auch mit unserem Platinlieferant und auch bei Batterien.
Ihr bemüht euch kreislauffähig zu werden. Wie weit seit ihr da?
Wir, sowie die gesamte Branche stehen da ganz am Anfang. Es ist einfach so ein komplexes Projekt, mit solch großen Volumen, aber dann auch wieder kleine Metallabkommen pro Metall in jedem Telefon, das man da erst langfristig etwas erreichen kann. Eigentlich müssen wir auch die anderen Hersteller mit an Bord bekommen. Wenn mehr Produkte ähnlich produziert werden, so dass es für bestimmte Komponente ein höheres Aufkommen gibt, dann kann man das leichter auseinander nehmen, ein Recycler kann das leichter demontieren und dementsprechend wieder aufarbeiten. Aber wenn das nur bei Fairphone so gestaltet wird, dann reicht es nicht aus, dass die Recycler ihre Produzesse und Methoden umstellen. Das heißt: es müssen mehr Produkte ähnlich gestaltet werden, so dass es sich für die Recycler auch lohnt. Man kann natürlich als Hersteller auch sagen: wir generieren eine bestimmte Nachfrage nach recycelten Materialien. Wo das möglich ist, machen wir das auch und setzen recycelte Materialien ein.
Wie funktioniert die Reparierbarkeit?
Wir haben uns jetzt wegen der Reparierbarkeit bei Fairphone 2 für ein modulares Design entschieden. Fairphone ist damit das erste modulare Smartphone auf dem Markt. Wir konzentrieren uns dabei auf Reparierbarkeit: wie kann ein Verbraucher selber, möglichst einfach und günstig, den Bildschirm oder die Batterie seines Fairphones austauschen oder auch andere Komponenten, die kaputt gehen. So dass man nach zwei Jahren sagt: es lohnt sich noch, das Gerät zu warten und weiter zu benutzen und dass man nicht nur wegen einem gebrochenen Bildschirm ein komplett neues Gerät kaufen muss.
Wir schauen natürlich auch: ab wann muss man Upgrades anbieten, so dass das Telefon technologisch mitgehen kann und wettbewerbsfähig ist? Zum Beispiel bei der Kamera, kann man die Ladeboxen austauschen? Solche Sachen schauen wir uns im Moment an.
Ihr seid vor einigen Jahren mit einer Vision von einem fairen Handy gestartet. Wie ist die Bilanz bis jetzt? Wo würdet ihr sagen: das hat gut geklappt, und das ist schwierig?
Ich würde sagen: als kleiner Newcomer ist alles schwierig. Wir haben noch gar nicht die Verhandlungsposition und die Volumen um manches rentabel zu machen. Aber wir sind flexibler und können innovativer sein. Sobald wir gute Ideen haben, können wir auf jeden Fall viel erreichen.
Schwierig sind alle Themen, wo es eine systematische Veränderung braucht. Löhne und Arbeitszeiten zum Beispiel, da muss man sehr lange und sehr hartnäckig dran arbeiten. Wir wollen dort Probleme an der Wurzel anpacken und nachhaltige Veränderungen bewirken, das braucht einen langen Atem, da hat man eben nicht mal schnell Erfolg.
Eine Erfolgsgeschichte in der Rohstoffgewinnung ist, dass wir jetzt auch Fairtrade Gold in unsere Lieferkette integriert haben. Da haben wir eine sehr spannende Partnerschaft mit Fairtrade. Unsere Partner in der Lieferkette machen selbst mit, zum Beispiel unsere Platinhersteller. Dadurch haben wir jetzt eine Pilotlieferkette für Elektronik aufgebaut, bei der man sagen kann: schaut euch das mal an, man kann Fairtrade Gold in der Elektroniklieferkette integrieren. Jetzt hoffen wir, dass andere Hersteller nachziehen.
Wie kann man als kleines Unternehmen ein so komplexes Produkt erfolgreich auf dem Markt bringen?
Wir machen eben was wir schaffen. Und wir haben viele Unterstützer. Durch unsere Crowdfunding-Kampagne haben wir vom Anfang an viele Multistakeholder mit am Bord. Da bildet sich so eine Art Bewegung für grüne und faire Elektronik und mit den ganzen Partnern schaffen wir es auch. Alleine wäre es unmöglich.
Bei Events, wie jetzt der IFA, muss man mit die Medienvertretern reden und erklären: es gibt nicht nur höher, schneller, weiter, sondern auch andere relevante Aspekte. So bekommen wir eben auch viel Sichtbarkeit, ohne großes Marketing.
Für die eigentliche Entwicklung vom Fairphone 2 haben wir nur in einem kleinen Team gearbeitet. Natürlich haben wir einiges geoutsourct, aber am Kern vom mechanischen Design waren nur zwei Leute beteiligt, beim industriellen Design waren vielleicht vier Leute involviert. Das Fairphone 2 ist natürlich einzigartig, weil es modular ist. Aber unser Bausystem basiert auf Komponenten, die es schon gibt. Beim Design haben wir uns entschieden, uns zu fokussieren. Ein großes Unternehmen hat alleine zweihundert Entwickler, die an der Leistung der Kamera arbeiten. Für uns ist es wichtig eine Kamera zu haben, die gut funktioniert und schöne Fotos macht, aber dafür brauchen wir keine zweihundert Entwickler. Wir überlegen uns gut, in welche Bereiche wir unsere Ressourcen investieren – und das ist eben nachhaltig so!
Was meint ihr, sollen wir das neue Fairphone 2 im Lilli Green Shop aufnehmen?
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