Bäume haben den Architekten Stefano Boeri schon immer fasziniert. Deshalb heißt sein berühmtestes Gebäude auch „Bosco Verticale“, vertikaler Wald. Über 700 Bäume und 20.000 Pflanzen machen die beiden Hochhaustürme in Mailand zu lebendigen Organismen. Boeri will seine grüne Architektur in die ganze Welt tragen und so mitten in der Stadt etwas gegen den Klimawandel tun.
20.000 Quadratmeter Wald auf zwei Hochhäusern
Der vertikale Wald in Mailand wirkt wie aus einer anderen Welt. Denn die beiden 80 und 112 Meter hohen begrünten Wohntürme sind das absolute Gegenprogramm zur Architektur aus Stahl und Glas. Auf den vielen Balkonen und an der Fassade wachsen so viele Bäume und Pflanzen, dass die Türme von weitem fast zugewuchert wirken. Doch die Bepflanzung hat System: Botaniker ordneten die Bäume, Sträucher und Blühpflanzen für die lebende Fassade als dreidimensionales Bild an, das je nach Jahreszeit immer andere farbige Akzente setzt. Die in Betonwannen gepflanzten Gewächse wurden speziell für die besonderen Wachstumsbedingungen an Fassaden gezüchtet.
Auf jeden Bewohner dieses vertikalen Waldes kommen heute zwei Bäume, acht Büsche und 40 andere Pflanzenarten. Würde man den vertikalen Wald auf eine Fläche pflanzen, bräuchte man gut 20.000 Quadratmeter dafür. Doch die Idee hinter den vertikalen Wäldern ist natürlich viel mehr als reine Optik. Stefano Boeri schätzt, dass diese grüne Architektur jedes Jahr 30 Tonnen CO2 absorbiert und 19 Tonnen Sauerstoff produziert. Die grünen Fassaden spenden Schatten und wirken kühlend. Sie haben eine positive Wirkung auf ihre Bewohner und sind zudem Lebensraum für Vögel und Insekten.
Wo die nächsten vertikalen Wälder wachsen sollen
Für seinen vertikalen Wald in Mailand erhielt Boeri mehrere Auszeichnungen. Und seine Idee wächst weiter: Neue vertikale Wälder entstehen zum Beispiel in Shanghai, Frankfurt, Lausanne und Utrecht. Und im niederländischen Einhoven wird das Konzept erstmals im sozialen Wohnungsbau umgesetzt. Boeri und seine Firma planen sogar eine vollständig bewaldete Stadt in der Nähe von Cancún, in der auf 557 Hektar Fläche 130.000 Menschen und über 7,5 Millionen Pflanzen leben sollen. Über Solarkollektoren und Felder soll sich die grüne Stadt vollständig selbst mit Energie und Nahrungsmitteln versorgen. Auch in Liuzhou in der chinesischen Provinz Guangxi entsteht eine solche „Forest City“, in der begrünte Wohnhäuser, Bürogebäude, Schulen und Krankenhäuser stehen werden.
Damit vertikale Wälder gut gedeihen, muss ihre Vegetation für jeden neuen Standort individuell geplant werden. Schließlich sind Sonneneinstrahlung, Wind und Luftfeuchtigkeit nicht überall gleich. Bevor die Zwillingstürme in Mailand gebaut wurden, beschäftigte sich Boeri deshalb zwei Jahre lang mit der Auswahl der besten Pflanzenarten.
Grüne Architektur: Natur und Architektur verschmelzen miteinander
Stefano Boeri hat eine Mission: Natur und Städtebau wieder zusammenbringen. „Als Architekten sind wir es gewohnt, mit Naturmaterialien zu arbeiten“, erklärt er. „Doch echte Natur ist etwas ganz anderes. Normalerweise betrachten wir die Natur nur als Zierde für unsere Gebäude. Doch mit dem vertikalen Wald haben wir gezeigt, dass es möglich ist, die Natur zu einem Hauptbestandteil von Architektur zu machen.“
Es wäre wunderschön, wenn es solche Häuser in allen Innenstädten gäbe! Pflanzennähe hat auch erwiesenermaßen heilende Wirkung auf Menschen! Nur 10 Bäume in der Umgebung mehr sollen das Risiko frühzeitig zu sterben dramatisch senken! Könnte das nicht zu Pflicht für Architekturbüros werden, mindestens 10 Bäume in das Gebäude zu integrieren?