Wie können wir künftig nachhaltig Lebensmittel anbauen, wenn die Weltbevölkerung weiter wächst und Städte sich weiter ausdehnen? Die beiden Gründer von „Growing Underground“ haben eine Antwort darauf: Hydroponik. Die Londoner züchten Kräuter und Sprossen unterirdisch in einem ehemaligen Luftschutzbunker. Wie funktioniert der Anbau ohne Erde und Tageslicht?
Der versteckte Garten von Growing Underground
Die Farm von Richard Ballard und Steven Dring befindet sich in 33 Metern Tiefe unter der Clapham High Street im Südwesten Londons. In einem Tunnelsystem aus dem Zweiten Weltkrieg leuchtet ein sanftes rosa Licht – hier wachsen Pflanzen unter Dauerbewässerung auf Matten. Statt aus der Erde erhalten sie ihre Nährstoffe aus einer speziellen Lösung. Das Spektrum des rosa Lichts eignet sich am besten als Ersatz für Sonnenlicht.
Wie funktioniert Hydroponik?
Hydroponik-Farmen wie diese könnten einen großen Beitrag dazu leisten, Megastädte mit nachhaltigen Lebensmitteln zu versorgen, ohne dass noch mehr Natur in Ackerland umgewandelt werden muss. Also nach dem Prinzip des Urban Gardening, nur dass die Hydroponik effizienter ist. Richard Ballard und Steven Dring bauen dort an, wo sie niemandem Platz wegnehmen. Sie betreiben ihr System mit erneuerbaren Energien – die LEDs laufen nachts, wenn es genug überschüssigen grünen Strom gibt. Damit umgehen sie auch einen der größten Kritikpunkte an der Hydroponik, nämlich den hohen Energieverbrauch der Systeme.
Der Anbau der Kräuter ist das ganze Jahr über möglich, weil die Temperatur unter der Erde gleichbleibend ist. Hydroponik ist zudem sehr wassersparend: Laut den beiden Gründern verbraucht ihr Hydroponik-System 70 Prozent weniger Wasser als in der traditionellen Landwirtschaft nötig wäre. Schädlinge gibt es dort unter der Erde nicht, so dass die Produktion ohne Pestizide auskommt. Die Produkte von Growing Underground gehen an Londoner Restaurants, an lokale Märkte und an Großmärkte.
Hydroponik ist keine neue Technologie. Das sogenannte „Vertical Farming“ wurde schon vor über 100 Jahren erfunden, wird aber erst jetzt richtig populär. Doch bisher wachsen nur Blattsalate und Kräuter schnell genug, um das Ganze wirtschaftlich betreiben zu können. Richard Ballard und Steven Dring sind sich aber sicher, dass sich in Zukunft auch bestimmte Obst- und Gemüsesorten über Hydroponik züchten lassen. Momentan ist jedoch schon der Anbau von Salatkräutern teuer und lohnt sich nur bei entsprechend hohen Produktionsmengen. Growing Underground sammelt gerade Geld, um die Produktion auszuweiten – aktuell nutzt das Projekt erst 20 Prozent des 6.000 Quadratmeter großen Bunkers.
Ist das bio?
Strittig ist, ob so angebaute Lebensmittel ein Biosiegel erhalten können, das ist in der EU nur für in der Erde angebaute Produkte möglich. Denn auch die Bodenpflege und der Stoffkreislauf über Kompost spielt bei der Bio-Landwirtschaft eine große Rolle. Pflanzen aus Hydroponik dagegen benötigen spezielle Dünger, weil normaler Biodünger nur für den langsamen Abbau in der Erde geeignet ist. Es gibt zwar inzwischen auch biologische Hydroponikdünger, doch bisher dürfen so erzeugte Lebensmittel nur in den USA eine Biozertifizierung erhalten. Ob das so bleiben soll, ist allerdings auch dort umstritten.