Die Meldungen zu den knapper werdenden Ölressourcen häufen sich. Obwohl ständig neue Vorkommen gefunden werden, deren Erschließung sich mit den steigenden Preisen (Verdreifachung in den letzten 10 Jahren) so langsam rechnet, ist das Ende der Petrochemie vorprogrammiert. Die Chemiekonzerne bereiten mittlerweile mit Nachdruck einen Paradigmenwechsel vor, der eine Abwendung von fossilen Rohstoffquellen für unsere Produktkultur hin zu biobasierten Herstellungsmethoden zur Folge haben wird. Während die Frage, wie die zukünftige Bioökonomie aussehen wird, derzeit noch Gegenstand der politischen Debatten ist, bauen die Produzenten Kapazitäten für die Erzeugung biobasierter Angebote auf.
Schon spricht man von Biomasse-Präkursoren und Plattformchemikalien, um der biobasierten Chemiewirtschaft mit einer präzisen Nomenklatur Leben einzuhauchen. Stroh, Raps, Soja, Mais und Zuckerrüben: Das sind die wichtigen Biorohstoffquellen, die uns hierzulande zur Verfügung stehen. Verschiedene Methoden sind geeigent, um aus diesen Quellen Ausgangsmoleküle (Präkursoren) wie Stärke, Hemicellulose, Lignin, Fette, Öle oder Proteine zu gewinnen und in weiteren Prozessen aufzutrennen. Es entstehen Plattformchemikalien wie Methanol, Ethanol oder Glycerin, die sich dann wieder zu langen und unterschiedlich stark vernetzten Molekülketten zusammensetzen lassen. So wie man es von der Petrochemie her kannte.
Einige der erfolgversprechendsten biologisch produzierten Kunststoffe basieren auf solchen Plattformchemikalien wie Milch-, Bernstein- oder Hydroxyfettsäuren. Denn die damit erzeugten Polymere weisen ganz ähnliche Qualitäten auf wie einige ihrer fossilen Vorbilder. So ist PLA (Polymilchsäure) im Eigenschaftsprofil vergleichbar mit dem von Kunststoffflaschen bekannten PET. Polyhydroxyfettsäure wie PHA oder PHB bieten gar die Möglichkeit für die Substitution von Massenkunststoffen wie PVC, PE oder PP. Und auch die Bernsteinsäure ist geeignet, industrielle Polymere wie Polyester oder Polyamide zu substituieren.
Unter Verwendung des aus dem Kuhmagen gewonnenen Bakteriums Basfia succiniciproducens produziert BASF in Kooperation mit dem niederländischen Unternehmen Purac Bernsteinsäure. Bei dem Prozess wird zusätzlich Kohlendioxid gebunden. Diese kann zum Beispiel für Polyester in biologisch abbaubare Käse- und Wurstverpackungen genutzt werden.
Obwohl die Preise noch bei drei- bis zehnfachen Werten von vergleichbaren petrochemisch erzeugten Polymeren liegen, bauen die Konzerne schon Produktionskapazitäten auf: Natureworks für PLA und Metabolix für PHA in den USA oder BioAmber in Frankreich und BASF in Deutschland für Bernsteinsäure sind einige der Macher der biobasierten Materialwirtschaft. Glaubt man den Erkenntnissen der Studie „Biomasse – Rohstoff der Zukunft für die chemische Industrie“, die vor kurzem beim VDI erschienen ist, scheint alles möglich zu sein bei der Ausbildung einer nachhaltigen und biobasierten Materialkultur. Wir nähern uns dem Wandel mit einer Geschwindigkeit, die vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre.
Weiterführende Links:
> www.zukuenftigetechnologien.de
> www.umweltdaten.de
Die bisherigen PLA sind ja leider mit Nichten erdölfrei. Ihre Rohstoffe stammen aus monokulturellem Anbau, wurden mit erdölbasierten Pestiziden gespritzt, mit erdgasbasiertem Dünger gedüngt und mit erdölbetriebenen Maschinen bearbeitet und geerntet.
Da wundert es wenig, dass sie in der Ökobilanz nicht selten schlechter als eine direkte Verwendung des Erdöls abschneiden.
Ökologisch ist wohl nur die Verwertung von pflanzlichen Reststoffen wirklich vertretbar. Für lebensnotwendige Spezialanwendungen wie z.b. in der Medizin kann man vielleicht auch mal über Nutzpflanzenverwendung nachdenken. Doch ein Ersatz des Erdöls für alle Kunststoffanwendungen ist hinsichtlich der benötigten Anbauflächen nicht machbar.
Zumindest nicht, wenn auch die bisher nicht zur Hochkonsumklasse gehörenden Menschen im globalen Süden noch was zu Essen oder gar die Chance auf gehobene materielle Bedürfnisbefriedigung haben sollen.
Ich fürchte ja, da kommt – analog zum Bio-Sprit – eine weitere Welle der Kolonialisierung auf uns zu. Die Konzerne kaufen die Böden in den Ländern des Südens für ihre Bio-Kunststoff-Nutzpflanzen und der lokalen Bevölkerung werden die Lebensgrundlagen entzogen.
Und dafür lassen sie sich dann als Umweltengel feiern…
Das „glaubt“ im obigen Satz klingt ein bisschen so, als sollte man die Nachhaltigkeit von Biomasse ein bisschen mehr hinterfragen :).
In der Tat sollte man da ab und zu mal ein bisschen genauer gucken, siehe zB diese
Studie zurUmweltfreundlichkeit von Biopolymeren
Auch sollte man möglichst immer im Kopf behalten, dass Rohstoffe für Biokunststoffe, die aus landwirtschaftlichem Anbau stammen eventuell in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln angebaut werden.