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Anthropozän – Wie die Menschheit die Erde verändert

Anthropozän- wer, wie, was?

Was klingt wie der altertümliche Name eines ausgestorbenen Tiers, ist das neue Lieblingswort einiger Geologen. Anthropozän ist das vom Menschen dominierte Zeitalter. Es meint eine geologische Epoche, in der die Menschheit einflussreichster Faktor für Veränderungen in der Umwelt ist. Also eine von Stromkabeln und Datennetzen geprägte Ära, in der Atomtests, Plastikteppiche in den Meeren und Artensterben unseren Alltag bestimmen und die Erde langfristig verändern.

Beitragsbild: © Edward Burtynsky, courtesy Galerie Springer, Berlin / Nicholas Metivier Gallery, Toronto

Epoche, menschgemacht

Einzelne Abschnitte der Erdgeschichte dauern normalerweise 100.000 bis 300.000 Jahre an. Charakteristisch für die Benennung eines Erdzeitalters ist, dass die einwirkenden Kräfte, die Gesteine, Erde und die Atmosphäre formen, nicht nur temporär sind, sondern mehrere Tausend Jahre anhalten und zu nachhaltigen Veränderungen führen. Etwa seit der industriellen Revolution ist der Mensch die gestaltende geologische Kraft auf unserem Planeten.

Unser Dasein hinterlässt nachweisbare Spuren auf der Erde. Während Dinosaurier in Gesteinsschichten ihre Spuren hinterließen, ist die Existenz des Menschen an Umweltschädigungen nachzuweisen. Zum einen muss die Klimastörung genannt werden und den damit einhergehenden Anstieg des Meeresspiegels. Zum anderen lassen sich in Gesteinen Aluminiumspuren nachweisen, und Plastikpartikel bevölkern nicht nur Fische, Vögel und Säugetiere, sondern überziehen als Teppiche große Bereiche der Weltmeere. Auch Flugasche und radioaktiver Fallout verändern unseren Heimatplaneten. Diese Komponenten werden noch in Tausenden von Jahren Auswirkungen auf die Erde haben. Und sie sind vom Menschen gemacht. Deswegen ist der Begriff Anthropozän nicht abwegig.

The Anthropocene Project - Das AnthropozaenThe Anthropocene Project - Das Anthropozaen

Photos © Edward Burtynsky, courtesy Galerie Springer, Berlin / Nicholas Metivier Gallery, Toronto

Nicht ganz neu: menschgemachtes Erdzeitalter

Aufgrund der vielen, nachweisbar vom Menschen verursachten Veränderungen an unserem Planeten hat eine internationale Arbeitsgemeinschaft von Wissenschaftlern im August 2016 auf dem Internationalen Geologischen Kongress in Kapstadt das Zeitalter des Anthropozän ausgerufen. Noch ist das neue Erdzeitalter jedoch nicht offiziell anerkannt. Die Begrifflichkeit Anthropozän ist nicht ganz neu. Bereits im Jahr 1873 schlug der italienische Geologe Antonio Stoppani eine „Anthropozoische Ära“ und ein „Anthropozoikum“ vor. Auch andere Wissenschaftler hatten immer wieder ähnliche Begrifflichkeit für die Benennung eines neuen, vom Menschen bestimmten Erdzeitalters zur Diskussion gebracht. Die aktuelle Debatte wurde von dem niederländischen Meteorologen Paul Josef Crutzen angestoßen. Derzeit wird kontrovers diskutiert, ob das Anthropozän sich dazu eignet, das aktuelle Erdzeitalter Holozän abzulösen. Vieles spricht dafür, es gibt allerdings auch kritische Stimmen.

Der Mensch, das Maß der Dinge?

Der Begriff des Anthropozän wurde bereits des Öfteren diskutiert. Doch nicht alle Wissenschaftler sind sich einig, eine Umbenennung ist umstritten. Kritiker meinen, wir bräuchten keine neue Definition für unser jetziges Erdzeitalter. Sondern nachhaltige Lösungsansätze. In diesem Zusammenhang tauchen einige Fragen auf:

  • Kann ein neuer Begriff die Lösung sein für unsere selbst verursachten Probleme?
  • Oder lenkt er nur ab von zukunftsträchtigen Lösungsstrategien, die zur Rettung unseres Klimas und zum Leben auf diesem Planeten beitragen könnten?
  • Und nimmt der Mensch sich selbst nicht viel zu wichtig, wenn er ein ganzes Erdzeitalter nach seiner Spezies benennt – und das noch nicht einmal nach der Gesamtheit der Menschen?

Denn es ist eine Tatsache, dass nicht die gesamte Menschheit für die Schädigungen an unserem Planeten verantwortlich ist. Vielmehr ist es eine elitäre Minderheit, die hauptsächlich verantwortlich ist für den Zustand unserer Welt. Eben dadurch, dass sie auf Kosten anderer lebt. Menschen, Tiere und die Umwelt sind gleichermaßen betroffen von diesem Ungleichgewicht, das das Anthropozän chrakterisiert. Sollte man also ein Erdzeitalter nach den von einer elitären Minderheit benannten Schäden benennen?

The Anthropocene Project - Das Anthropozaen

The Anthropocene Project - Das AnthropozaenThe Anthropocene Project - Das Anthropozaen

photo(s) © Edward Burtynsky, courtesy Galerie Springer, Berlin / Nicholas Metivier Gallery, Toronto

Menschen, Tiere und das Artensterben

Die Lage für Tiere ist besonders ernst. Der Living Planet Index des WWF stellte fest, dass die Artenvielfalt auf unserer Erde zwischen den Jahren 1970 und 2005 um 27 % gesunken ist. Bei Europas Brutvögel sieht es noch schlimmer aus: Die Bestände der europäischen Brutvögel sind zwischen 1980 und 2009 um fast 50 % gesunken. Laut der IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources = Internationale Naturschutzorganisation) gelten 20 % der Säugetiere, 12 % der Vogelarten und 29 % der Amphibien als bedroht.

Wir „haben damit drei Viertel der Erdoberfläche an Land, 40 Prozent der marinen Gebiete und die Hälfte der Flüsse stark verändert“, weiß Ralf Seppelt, Mitautor zum UN-Bericht der Lage der Natur. Der globale Report des Weltartenschutzrates IPBES erschien Anfang Mai 2019. Wissenschaftler belegen, dass wir derzeit ein Artensterben erleben, dass zehn – bis hundertfach schneller stattfindet als in den vergangenen 10 Millionen Jahren!

„Die Biodiversität ist das Sicherheitsnetz unserer Existenz und unserer Gesellschaft“, so Seppelt.

Wenn zu viele Arten aussterben, kann es zu einer Kettenreaktion kommen. Besonders dramatisch ist, dass ein Aussterben unwiderruflich ist. Menschen, Tiere und Pflanzen bilden ein voneinander abhängiges System. Verschwinden zu viele Arten von der Erde, kann dieses Schicksal dem Menschen ebenfalls blühen. Um dem entgegenzuwirken, hat sich die Extinction Rebellion Bewegung gegründet.

Anthropozän in Kunst und Kultur

Wo politisch diskutiert wird, lässt auch meist die Kunst nicht lange auf sich warten. In die Welt der Kunst hat das Anthropozän es bereits geschafft. Es gibt zahlreiche Kunstprojekte, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. So wurde beispielsweise der Film „Anthropocene – the human epoch“ auf dem DokFest in München gezeigt. Auch die HKW beschäftigt sich bereits seit 2013 intensiv mit dem Anthropozän. So erschafft das Projekt „Technosphere“ einen Dialog zwischen Wissenschaftlern, Kunstschaffenden und gesellschaftlichen Akteuren zum Thema Anthropozän.

The Anthropocene Project – Ausstellung in Bolgona

Welche Lösungen blieben uns? Der Fotograf Edward Burtynsky, die Regisseure Nicholas de Pencier und Jennifer Baichwal haben sich im Rahmen des Anthropocene-Projekts zusammengetan, um diese Frage anhand von Filmen, Dokumentationen, Fotografien, Wandgemälden und eindringlichen Erfahrungen zu untersuchen. Die Ausstellung ist noch bis  22. September in Bologna, Italien zu sehen. Die hier gezeigten Bilder sind Teil der Ausstellung im Fondazione MAST.

The Anthropocene Project - Das Anthropozaen

Photo © Edward Burtynsky, courtesy Galerie Springer, Berlin / Nicholas Metivier Gallery, Toronto

Ob der neue Begriff nun eingeführt wird oder nicht, wird sich zeigen. Selbst, wenn die Menschen nur darüber reden: Auf jeden Fall sensibilisiert das Anthropozän für die wichtigsten Themen unserer Zeit.

 

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