Inmitten der sanft geschwungenen Landschaft Südmährens, in Tschechien, steht ein Bauwerk, das Tradition, Nachhaltigkeit und handwerkliche Meisterschaft vereint: die Kapelle der Schmerzensmutter in Nesvačilka. Errichtet aus Stein, Holz und gestampfter Erde, verkörpert sie nicht nur einen spirituellen Ort, sondern auch die tiefe Verbindung von Mensch und Natur. Auf einem Hügel, der seit Jahrhunderten auf seine Bestimmung zu warten schien, ist sie zum Symbol für Gemeinschaft und zeitlose Schönheit geworden – ein zwölfjähriges Gemeinschaftsprojekt, geprägt von Hingabe und Innovation.
Ein Ort mit Geschichte und Vision
Seit über 100 Jahren wünschten sich die Menschen von Nesvačilka eine Kapelle, ein Zentrum der Einkehr und des Miteinanders. Doch dieses Bauwerk sollte mehr sein als ein Gebäude; es sollte die Essenz der Landschaft, der Kultur und der Tradition widerspiegeln. Der gewählte Ort, sichtbar von weitem, verbindet die barocke Idee der Kultivierung der Erde mit einem tief verwurzelten Glauben.
Mit der Schmerzensmutter als Patronin der Kapelle wird der Schmerz und das Leiden Mariens zum Leitmotiv. Dies spiegelt sich sowohl in der Architektur als auch in der Atmosphäre wider. Die Kapelle steht auf einem Boden aus verdichteter Erde, ein Sinnbild für die Verbundenheit mit der Schöpfung. Die Wände, aus robustem Gneis gefertigt, symbolisieren die menschliche Unvollkommenheit. Aus diesen Steinen wachsen sieben Holzbalken, die sich gen Himmel erheben und die sieben Schmerzen Mariens repräsentieren.
Photos: Ondřej Bouška
Nachhaltigkeit und Handwerkskunst im Dialog
Die Kapelle ist ein Paradebeispiel für den Einsatz natürlicher Materialien und moderner Technologien im Sinne der Nachhaltigkeit. Die Holzkonstruktion, bestehend aus tausend sorgfältig verbundenen Elementen, wurde mit CNC-Technologie gefertigt, doch die 15 Meter langen Balken sind handgeschnitzt – ein beeindruckender Beweis für die Verschmelzung von Handwerk und Präzisionstechnik.
Das Baumaterial wurde mit Bedacht gewählt, nicht nur aus praktischen, sondern auch aus ästhetischen und symbolischen Gründen. Die Böden aus gestampfter Erde, die Steinmauern und die feingliedrige Holzkonstruktion altern würdevoll, wobei ihre Qualität und Schönheit mit der Zeit zuehmen.
Ein weiteres Highlight ist das Spiel von Licht und Schatten: Kleine Fenster lassen Sonnenstrahlen in die Kapelle dringen und erschaffen eine lebendige, spirituelle Atmosphäre. Der Duft von Holz und Erde, die Akustik und das haptische Erlebnis der Materialien laden die Besucher ein, mit allen Sinnen in den Raum einzutauchen.
Ein Gemeinschaftswerk
Die Kapelle wurde vollständig durch Spenden finanziert – ein Prozess, der Geduld und Engagement von der Dorfgemeinschaft forderte. Diese Zeit des Wartens bot jedoch die Gelegenheit, den Entwurf immer wieder zu verfeinern, technische Herausforderungen zu meistern und das Projekt mit äußerster Sorgfalt umzusetzen.
Der Weg zur Kapelle ist gesäumt von Apfelbäumen und den Stationen des Kreuzwegs. Diese Verbindung von Natur und Spiritualität führt die Besucher auf eine Reise, die sowohl körperlich als auch geistig berührt.
Photos: Ondřej Bouška
Eine Kapelle aus Naturmaterialien als Symbol für die Zukunft
Die Kapelle der Schmerzensmutter ist nicht nur ein spiritueller Rückzugsort, sondern auch ein Beispiel dafür, wie Architektur eine nachhaltige und zukunftsorientierte Vision verkörpern kann. Sie erinnert daran, wie wichtig es ist, gemeinsam zu träumen, Geduld zu üben und an eine Idee zu glauben.
Dieses Bauwerk steht für mehr als nur den Glauben – es ist eine Hommage an die Gemeinschaft, an das Handwerk und an die tiefe Verbindung zwischen Mensch und Natur. Ein Ort, der die Seele erhebt und uns daran erinnert, dass wahre Schönheit und Beständigkeit in der Einfachheit liegen.
Architektur: RCNKSK
Photos: Ondřej Bouška
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